Der Buchspazierer Quer

„Der Buchspazierer“ – Ein Herzensbuch

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Da ich mich in der Buchhandlung auch wieder einmal mit aktueller Belletristik beschäftigen wollte, habe ich mir nach “Der Donnerstagsmordclub” von Richard Osman auch gleich noch “Der Buchspazierer” von Carsten Henn zur Hand genommen. Es hatte mich ein wenig an “Die wundersame Mission des Harry Crane” von Jon Cohen erinnert, welches ich damals absolut geliebt habe. Und mein Spürsinn für wundervolle und emotionale Lektüre hat mich wieder einmal nicht enttäuscht!

Besonderes für Besondere

Es geht um den etwa siebzig Jahre alten Buchhändler Carl Kollhoff, der zwar nicht mehr in der örtlichen Buchhandlung arbeitet, aber nach wie vor seine besonderen Kunden mit Büchern beliefern darf. Schön verpackt und liebevoll ausgewählt spaziert er damit abends durch die Stadt und übergibt jedes Buch persönlich seinen Kunden, die mittlerweile mehr Freunde und Verbündete als Kunden sind.

Da Carl sich schon immer schlecht Namen merken konnte, diese Bekannten aber unwahrscheinlich wichtig für ihn sind, hat Carl jedem einzelnen einen Namen von bekannten Buchcharakteren gegeben.

Doch plötzlich ist Carl nicht mehr alleine unterwegs, denn eines Abends schließt sich ihm einfach die freche 9-jährige Schascha an, die Carl schon länger dabei beobachtet, wie er seine Bücher austrägt. Für Schascha ist Carl “Der Buchspazierer” und sie liebt Bücher so sehr, dass sie nun wissen möchte, wem er denn die ganzen Bücher bringt und wer Carl eigentlich so ist.

So entwickelt sich zwischen der aufgeweckten Schascha und dem eher verschlossenen Carl eine wunderschöne Freundschaft, durch die die beiden und auch die Leute um sie herum neue Dinge lernen. Vor allem als Carl einen Schicksalsschlag erlebt, stellt sich ihm die Frage, ob die Bücher und Schascha ihm sein Glück wieder ermöglichen können.

Wenn selbst das Vorwort bewegt

„Für alle Buchhändlerinnen und Buchhändler – Selbst in Krisen versorgen sie uns mit einem ganz besonderen Lebensmittel“
(Zitat aus dem Vorwort)

Selten ging es mir so, dass ich mich bereits durch das Vorwort schon so geschätzt und angesprochen fühlte. Dementsprechend konnte ich nicht anders, als mit einem Lächeln die erste Seite aufzublättern und neugierig der Geschichte gegenüber zu treten.

“Es heißt Bücher finden ihre Leser – aber manchmal brauchen sie jemanden, der ihnen den Weg weist.” (Erster Satz, Kapitel 1, S.7)

Einfach nur wundervoll! Der erste Satz reichte schon aus, um mich zu berühren und zu fesseln. Die Geschichte ist so warmherzig und tiefgründig, wie ich schon lange kein Buch mehr empfunden habe. Trotz der Emotionen, die das Buch mit sich bringt, schenkt einem die Geschichte auch wahnsinnig viel Witz und Humor.

Über den Inhalt an sich möchte ich gar nicht viel mehr als oben sagen, denn grundsätzlich ist die Geschichte eine sehr unaufgeregte, die vor allem Schascha und Carl, aber auch die besonderen Kunden der beiden begleitet. Es wird sich Zeit genommen, jede Person etwas kennenzulernen, mit all seinen Facetten – positiven wie negativen.

Mir hat aber rein gar nichts gefehlt!

Die Charaktere

Da die Charaktere für mich den Großteil des Buches ausmachen, möchte ich mich eigentlich nur kurz unseren beiden Protagonisten Carl und Schascha widmen, denn die Kunden und Freunde in dieser Stadt muss man einfach selbst erlesen und kennenlernen.

Carl Kollhoff ist etwas über 70 Jahre alt und seit jungen Zeiten Buchhändler mit Leib und Seele. Er hat bei dem ehemaligen Besitzer der Buchhandlung, seinem langjährigen Freund und Kollegen, gelernt und bis zum Schluss gearbeitet. Seit die Buchhandlung an die Tochter des ehemaligen Besitzers übergegangen ist, hat sich viel für Carl verändert, doch seine besonderen Kunden, die für ihn eine letzte Verbindung zur Welt der Bücher sind, darf er weiterhin beliefern.

Er ist ein sehr ruhiger, alleinstehender Mann, der schon immer für Bücher und Literatur gelebt hat. Er kennt seine Kunden und deren Lesegeschmack so gut wie kein anderer. Carl liebt Bücher und Gespräche über Bücher über alles, doch mit Kindern konnte Carl noch nie gut umgehen – das und eine gewisse Abwehr merkt er vor allem anfangs, als er Schascha trifft.

Die (noch) neun Jahre alte Schascha hingegen ist ein quirliges, aufgewecktes, aber vor allem ziemlich intelligentes Mädchen. Sie ist oft allein zuhause, da ihr alleinerziehender Vater viel arbeitet. Deswegen liest sie sehr gerne und viel und beobachtet Carl – für sie „Der Buchspazierer“ – dabei, wie er seine liebevoll verpackten Bücher ausliefert.

Anfangs würden sich viele Leute denken, wie nervig so ein kleines Kind ist oder wie furchtbar direkt das Mädchen ist, aber genau mit dieser Art öffnet sie die Herzen der anderen und mit ihrer Aufmerksamkeit fallen ihr schnell Eigenheiten und Dinge an anderen auf, die Carl beispielsweise seit Jahren nicht bemerkt hat.

Schascha ist trotz ihres jungen Alters sehr selbstbewusst, aber auch relativ verantwortungsbewusst. Carl will sie anfangs möglichst schnell abwimmeln und weißt sie auch darauf hin, dass sie sich gar nicht kennen und er ihr auch Böses antuen könne. Daraufhin entgegnet ihm Schascha, dass sie ihn sehr wohl kenne und auch lange genug beobachtet habe. Sie wisse ja auch, wo er arbeite und er herkomme. Außerdem könne er ja mal versuchen sie einzufangen, was Carl auch versucht (alles dafür, dass dieses Kind wieder heim geht), allerdings ist Schascha wirklich viel zu flink für ihn. Tja, was soll man auf so eine schnelle Antwort noch erwidern?

Reine Poesie

“Das geschriebene Wort wird immer bleiben[…]. Weil es Dinge gibt, die auf keine Art besser ausgedrückt werden können. Und der Buchdruck ist die beste Konservierungsmethode für Gedanken und Geschichten. Darin können sie Jahrhunderte überdauern.”
(Zitat Carl Kollhoff, Kapitel 1, S. 11)

Klingt das nicht einfach nur wundervoll und ästhetisch? Ich glaube nicht, dass ich eine bessere Antwort zum Thema Buchdruck und Digitalisierung hätte. Natürlich verändert sich durchgehend vieles und es wird sich auch immer weiter verändern und entwickeln. Aber die Kunst der Literatur und Worte wird immer ein wichtiger Bestandteil unserer Welt bleiben.

Der Schreibstil ist für mich einfach nur traumhaft. Er ist poetisch und ausdrucksstark, aber keineswegs zu überheblich oder gestelzt. Die Geschichte rund um Carl und Schascha war so angenehm zu lesen, als würde man mit einer kuscheligen Decke und einer guten Tasse Tee oder Kakao auf dem Sofa sitzen und mit einem guten Freund über schöne Dinge reden.

Das Buch war ruhig, aber tiefgründig. Es war humorvoll, aber auch traurig. Es war lebensbejahend, aber auch hinterfragend. Die unterschiedlichen Personen in dem Buch zeigen uns realistisch, wie Menschen sich im Leben durch die Umgebung und durch Ereignisse verändern und entwickeln. Es zeigt uns Menschlichkeit im Sinne von Ängsten und Wünschen auf.

“Weißt du, die Menschen vergessen immer mehr zu lesen. Dabei sind Menschen zwischen den Deckeln, ihre Geschichten. In jedem Buch ist ein Herz, das zu pochen beginnt, wenn man es liest, weil das eigene Herz sich mit ihm verbindet.”
(Zitat Herr von Hohenesch, Kapitel 2, S. 44)

Es ist einfach wundervoll, wie gut dieser Satz zu diesem Buch selbst passt. Es drückt genau das Gefühl aus, das beim Lesen von Büchern entstehen kann. Meiner Meinung nach ist in der Geschichte von Carsten Henn auch für jeden Leser und jede Leserin mindestens ein Charakter dabei, der einem selbst in irgendeiner Art und Weise ähnelt. Es enthält Gedanken und Fragen an das Leben, die sich vermutlich ein Jeder schon einmal gefragt hat – zumindest ging es mir definitiv so.

“Es ist nicht wichtig, was man liest, sondern dass man liest.”
(Kapitel 1, S. 14)

Das Zitat ist mir so im Gedächtnis geblieben, einfach weil ich diesen Satz selbst so oft mit Kunden durchgehe, vor allem wenn es um Kinder und Jugendliche geht, die Probleme mit Lesen und Schreiben oder auch einfach keine Lust auf Bücher haben.

Ich könnte vermutlich noch zigtausend weitere Gedanken und Zitate aus dem Buch nennen, die mir im Kopf geblieben sind, mich berührt haben oder einfach wunderbar geschrieben sind. Allerdings glaube ich, dass bereits jetzt definitiv hervortritt, was ich über das Buch denke. Nämlich dass es ein wunderschönes Buch ist, das ich jedem nur ans Herz legen kann.

Fazit

In dieser Buchhandlung wurde nun die Frage gestellt, für die Buchhandlungen existierten: “Können Sie mir ein gutes Buch empfehlen?”
(Zitat aus Kapitel 1, S.8)

Ja, kann ich, und zwar genau dieses hier.

„Der Buchspazierer“ zählt neu zu meinen Herzensbüchern, denn diese Mischung aus Tiefe, Witz, Herz und der Verbundenheit zur Literatur konnte mein Herz absolut berühren. Auch wenn die Geschichte rund um Carl Kollhoff, der kleinen Schascha und ihren besonderen Kunden eher ruhig ist, so ist sie für mich doch absolut herzerwärmend und außergewöhnlich tiefgründig.

☁ ☁ ☁ ☁ ☁ / 5 Wolken

  • Buchtitel: Der Buchspazierer
  • Autor: Carsten Henn
  • Verlag: Pendo
  • Einband: Gebunden/Hardcover
  • Seiten: ca. 224
  • Erscheinungsdatum: 02.11.2020
  • ISBN: 978-3-86612-477-6

Es sind besondere Kunden, denen der Buchhändler Carl Christian Kollhoff ihre bestellten Bücher nach Hause bringt, abends nach Geschäftsschluss, auf seinem Spaziergang durch die pittoresken Gassen der Stadt. Denn diese Menschen sind für ihn fast wie Freunde, und er ist ihre wichtigste Verbindung zur Welt. Als Kollhoff überraschend seine Anstellung verliert, bedarf es der Macht der Bücher und eines neunjährigen Mädchens, damit sie alle, auch Kollhoff selbst, den Mut finden, aufeinander zuzugehen …

(Quelle: www.piper.de)

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