
Zarter Mensch in einer harten Welt („Young Mungo“ by Douglas Stuart) #BuchdesMonats
Dieses Buch hat mir den Januar versüßt. Wer meinen Romangeschmack kennt, weiß, dass ich auf abgefuckte Geschichten stehe und das folgende Buch erfüllt alle Kriterien:
Plot
90er in Glasgow, Schottland: Es ist kein leichtes Leben im Arbeiterviertel. Mungo und seine Familie gehören zu den Ärmeren und so lernen sie die Schattenseiten des Lebens kennen. Ohne einen Vater und mit einer dafür alkoholkranken Mutter, die mehr neuen Männern hinterherjagt als sich um ihre minderjährigen Kinder zu kümmern, bleibt Mungo mit seiner Schwester alleine. Ihr älterer Bruder Hamish, frisch Vater geworden, hat sich mit seinem Leben als Teil des Straßenviertels abgefunden und führt einer der brutaleren Banden an. Die Kämpfe zwischen den katholischen und protestantischen Viertel sind Alltag. Während Mungos intelligente Schwester lernt und von der Uni träumt, bleibt der junge zarte Mungo mit dem Kopf in den Wolken. Etwas zu naiv und gutgläubig läuft er durchs Leben: Er hängt an seiner unzuverlässigen Mutter, während seine Geschwister sie hassen. Er denkt nicht groß über seine Taten nach, kann sowohl schnell wütend als auch liebevoll werden. Ein großes Kind, das man behüten möchte. Als er zum ersten Mal einen echten Freund findet, James, wird schnell klar, dass James homosexuell ist. Eine Tatsache, die ihn das Leben kosten könnte. Durch die Wildheit der Jugend entflammt die Liebe zwischen ihnen und sie bangen, wie es nun weitergehen kann.
Figuren und Aufbau
Das Buch erzählt die Geschichte um Mungo rückwärts: Wir finden uns am Anfang bei einem Angelausflug wieder, an dem Mungo teilnimmt. Einige Wochen nach einem unbekannten Erlebnis fährt er zusammen mit zwei Männern, die seine Mutter aus der Gruppe der anonymen Alkoholiker kennt, in die Wildnis. In Rückblenden wird Mungos Leben vor ein paar Wochen geschildert: Sein Leben ohne Mutter, doch mit einer fürsorglichen Schwester und dem grausamen Bruder, der ihn zum harten Mann ausbilden will. Immer wieder wird man zurück ins Jetzt, in den Wald, katapultiert: Als LeserIn bangt man schnell um den jungen unerfahrenen Mungo und die Ereignisse am See werden zunehmend unangenehmer. Das alles störte den Lesefluss der Geschichte nicht im Geringsten. Im Gegenteil: Durch diese Erzählweise wollte man Mungo immer mehr beschützen und man fühlte sich weiter in ihn hinein.
Was mich so begeistert hat, war Douglas Stuarts Art Szenen zu vermitteln: Man steckt natürlich überwiegend in Mungos Gedanken fest, doch sobald mehrere Personen an einer Szene beteiligt sind, switcht er geschickt in das Innenleben der anderen Person. So fühlte man sogar mit dem brutalen Hamish mit, der nur möchte, dass sein Bruder auf sich aufpassen kann. Man blickt tief in die Verzweiflung der Schwester, die mit allen Mitteln versucht, nicht wie ihre Mutter zu enden. Sogar die Sichtweise aus den Männern im Wald lehrten mich sowohl Mitleid als auch das Fürchten. Douglas Stuart schafft es alle Emotionen mit seinem Buch anzusprechen und ließ mich als Leserin hoffen. So erbarmungslos hoffen.


