Pepperman Quer

Düstere Wahrheit oder Einbildung? Ein Leben mit Pepper-Man

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Dieses Buch ist eines der wenigen Bücher, die einen schweren Eindruck bei mir hinterlassen haben und bei dem ich nicht zu hundert Prozent sagen kann, ob ich es nun geliebt oder seltsam gefunden habe.

Als ich „Pepper-Man“ in der damaligen Herbstvorschau von Knaur gesehen habe, war ich Feuer und Flamme. Zu der Zeit habe ich richtig viel Horror, Grusel und düstere Fantasy gelesen und nach immer mehr in der Richtung gesucht, das zwar schön grausig, aber nie trashig ist. Gar nicht so einfach übrigens. Das Cover hat mich in der Vorschau schon fasziniert, weil ich dieses Farbspiel einfach nur aufmerksamkeitserregend und wunderschön finde. Der Klappentext klang genial dazu und schon war das Buch vorbestellt.

Es ist auch direkt nach Erscheinen bei mir eingezogen, allerdings habe ich jetzt fast ein Jahr gebraucht, um es schließlich zur Hand zu nehmen. Die letzten Monate waren stressig, weshalb ich selten die Lust auf zusätzliche Gänsehautmomente hatte. Aber im August war es endlich wieder so weit, düstere Leselaune war da und dafür hab ich mir gleich „Pepper-Man“ geschnappt.

Information am Rande: Ich habe es innerhalb von einem guten Tag beendet. Ist immer eine (für mich) wichtige Info bei speziellen Büchern.

Worum geht es?

Cassandra Tipp ist erfolgreiche Autorin, eine für verrückt erklärte Frau, die auch noch in zwei Mordfällen angeklagt ist. Sie ist für tot erklärt und ihr ganzes Vermögen soll an ihre Nichte Penelope und ihren Neffen Janus übergehen, die ihre Hinterlassenschaften aber nur erhalten, wenn sie vorher ihre Briefe lesen. Der Notar ist natürlich eingeweiht und so müssen sich ihre Erben entscheiden, ob sie die Texte lesen oder nicht.

Da Geld für alle verlockend ist und die beiden doch neugierig auf die Wahrheit bzw. auf die Geschichte ihrer Tante sind, lesen sie die Briefe von Cassandra. Doch diese Geschichte ist definitiv anders als alles, was sie je erwartet hatten…

Die Geschichte von Cassandra beginnt bereits in ihrer jungen Kindheit, als sie die düstere Gestalt aus Zweigen und Steinen aus dem Wald zum ersten Mal sieht – Pepper-Man. Eine grausige und unmenschliche Gestalt, die sich an ihr festklammert und fortan ihr ganzes Leben lang begleitet, sie von der Umwelt, Freunden und Familie abgrenzt, da außer ihr Pepper-Man niemand sehen kann.

Wir begleiten Cassandra und Pepper-Man über Jahre hinweg durch Cassandras Jugend, das Erwachsenwerden bis hin zu ihrem Ableben.

Was halte ich von der Geschichte?

Es ist wahrlich nicht einfach, ein klares Statement dazu abzugeben. Denn die Geschichte wirkt komplett anders, je nachdem, wem man Glauben schenkt oder welcher Realität man mehr zugetan ist.

Möchte ich es als Fantasybuch sehen, dann ist es genial durchdacht, grausig in den Auswirkungen und trotzdem harmloser bzw. ereignisärmer als bei dem Cover und dem Klappentext erhofft. Dort hätte es für mich noch gruselige Luft nach oben gegeben.

Möchte man bei der Realität bleiben und den Menschen um sie herum und ihrem Arzt und Psychiater glauben, dann hinterlässt das Buch einen arg bitteren Nachgeschmack, weil es einen nicht nur zum Nachdenken anregt, sondern mit einer ganz anderen Art von Grausamkeit konfrontiert. Denn in diesem Fall erzählt das Buch die Geschichte einer schwer traumatisierten Frau, deren Geist sich zum eigenen Schutz in eine fantastische Welt flüchtet.

Es ist schwer zu erklären, was genau einen in diesem Buch erwartet. Doch die Idee dahinter und auch die Art der Umsetzung hat mich dennoch beeindruckt. Ich bin grundsätzlich überhaupt kein Fan von offenen Enden bzw. von Enden, bei denen der Leser selbst entscheiden muss, wem oder was er Glauben schenkt. Bei diesem Buch allerdings wäre wohl eine klare Vorgabe schwer.

„Es ist eure Entscheidung. Ganz allein eure.“ (Zitat S. 250, letztes Kapitel)

Psychisch krank oder adoptiert von Feen?

Cassandra ist unsere Protagonistin, die wir von klein auf bis zum Schluss begleiten. Sie ist definitiv keine sympathische Protagonistin, wie man sie sich in einem leichten Roman wünschen würde. Trotzdem ist ihr Charakter passend für die Geschichte und unterstreicht ihre Erzählungen.

Cassandra ist ein wütendes, frustriertes und einsames Kind, das sich zwischen Furcht und Sehnsucht nach Liebe mit dem Leben schwer tut. Ihre Familie versteht sie nicht, sie ist neidisch auf das positive Leben ihrer Schwester und doch möchte sie ihre Familie vor der Bedrohung beschützen und auch ihre Stellung bei Pepper-Man nicht eintauschen.

Sie entwickelt sich zur zurückgezogenen Frau, die ihren Status als „Verrückte“ akzeptiert und für sich das Bestmögliche aus ihrem Leben macht. Sie trifft nicht immer die richtigen Entscheidungen, stellt sich oft „Was wäre wenn“-Szenarien vor und schwankt zwischen Glück und Unglück stets hin und her. Selbstzweifel und Selbsthass werden nicht verdrängt und sämtliche innere Abgründe kommen auf.

Pepper-Man und seine Gefährten sind mystische Wesen aus dem Wald, Feen aus dem Feenhügel. Allerdings könnt ihr euch bereits denken, dass die klassische Beschreibung von Feen hier nicht zutrifft. Sie sind weder nett, noch hübsch oder gütig.

Hier treffen wir eher auf die Art von Feen aus dem alten irischen Aberglauben: Feen sind grausame Wesen, die Menschen entführen und zu sich locken, einem Schaden und Leid erbringen, die nach dem Leben dürsten.

Die anderen Charaktere sind zwar Teil von Cassandras Geschichte und kommen immer wieder vor, allerdings würde man durch eine Beschreibung der Charaktere vieles voraus nehmen und eine eigene Meinungsbildung eher verhindern.

Schreibstil

Der Stil des Buches ist besonders, denn es ist keine übliche Romanform. Es werden Zeitungsartikel verwendet und der Großteil der Geschichte ist zwar aus Cassandras Sicht erzählt, allerdings so, als würde sie die Worte an den Leser direkt richten. Wir lesen also die Briefe an ihre Nichte und ihren Neffen, ebenso wie die dazu gehörigen Zeitungsartikel über die Vorfälle und Mordanklagen.

Anfangs war dies durchaus gewöhnungsbedürftig, doch das hat sich bei mir schnell gelegt. Die Art des Erzählens lässt einen Tief in Cassandras Wesen und Geschichte eintauchen, was mir überaus gut gefallen hat. Cassandras Erzählstil hat fast schon etwas Poetisches, was sicherlich den Part untermauert, dass sie auch erfolgreiche Autorin ist.

Die Geschichte wird immer wieder durch kurze Auszüge von aufgezeichneten Gesprächen, Zeitungsartikeln und auch kurzen Szenen von ihrer Nichte und ihrem Neffen, die die Briefe lesen, aufgelockert. Es mag einem so vorkommen, als würde man abrupt aus der Geschichte gerissen, doch unter anderem bringen einen diese „neutralen“ Szenen in eine Art Realität zurück und zum Nachdenken.

Die Atmosphäre ist trotzdem, dass sich die Ereignisse nicht überwerfen, düster, dunkel, bedrohend und doch märchenhaft. An Lesegefühl mangelt es hierbei nicht!

Das Ende, bei dem Cassandra nochmal eine klare Warnung an uns direkt richtet, hat bei mir zum Abschluss eine starke Gänsehaut hinterlassen.

Weitere Gedanken

Die zweite Seite des Buches, bei der es immer wieder Andeutungen auf schwere Traumata und psychische Schäden gibt, lässt mich nicht wirklich los. Denn diese Seite ist schon fast so grausam, dass man als Leser lieber selbst in die düstere Feenwelt gehen und Cassandra Glauben schenken möchte, als die andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen.

Ich bin grundsätzlich kein Mensch, der bei Büchern Triggerwarnungen liest oder auf ihr Vorhandensein achtet. Allerdings ist dies ein Buch, bei dem ich durchaus einige Trigger erwähnen würde, weil die wirklich heftig sind.

SPOILER für diejenigen, die keine Triggerwarnung benötigen oder wollen

Toxische Beziehungen, Vernachlässigung, Depression und Einsamkeit zählen noch zu den „harmloseren“ Triggern. Angedeutet werden durchaus (Kindes)Missbrauch, Gewalttaten und vieles mehr. Was in einer Interpretation zur Geschichte und zur Atmosphäre passt, kann in der anderen Interpretation an die Grenzen der eigenen Psyche gehen.

SPOILER ENDE

„Pepper-Man“ war auch eines der wenigen Bücher, bei denen ich die Danksagung komplett lese und nicht nur überfliege. Ironischerweise sagt die Autorin Camilla Bruce selbst gleich zu Beginn, dass sie das Manuskript absolut seltsam fand und nie dachte, dass es je veröffentlicht würde.

Fazit

Eine düstere Mischung aus Fantasy und Horror, die den Leser auf die Suche nach der eigenen Wahrheit schickt. Ein psychisches Verwirrspiel, das zum Nachdenken anregt. Etwas seltsam und doch beeindruckend. Für Leser und Leserinnen, die besonderen Lesestoff suchen.

☁ ☁ ☁ ☁ von 5 Gewitterwolken

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Dies ist die Geschichte der verstorbenen Cassandra Tipp. Cassandra war erfolgreiche Autorin, exzentrische Tante – und angeklagte Mörderin. Sie hinterließ ihren Nachfahren ein Buch, das ihre Geschichte erzählt. Eine Geschichte von Pepper-Man, dem Wesen aus dem Wald, das Cassandra beschützte; eine Geschichte von blutigen Nächten und magischen Geschenken; eine Geschichte von Ehemännern aus Zweigen und Steinen.
Und die Geschichte von Kindern, die im Wald verloren gingen.

Oder vielleicht doch eine Geschichte über ein kleines Mädchen, das im Schatten eines dunklen Waldes und furchtbarer Erinnerungen aufwuchs?

Es ist deine Entscheidung, ob du Cassandras düsterem Märchen glaubst.

Denn was ist, wenn uns die Vernunft nur davor schützt, die Wahrheit zu sehen?

(Quelle: www.droemer-knaur.de)

  • Titel: „Pepper-Man“
  • Originaltitel: „You let me in“
  • Autorin: Camilla Bruce
  • Übersetzung: Carina Schnell
  • Verlag: Knaur TB
  • Seiten: 250
  • Erscheinungsdatum: 01.09.2020
  • ISBN: 978-3-426-52432-9

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