
Ein tragischer Klassiker für Kinder aufbereitet – „Manhwa für Kids: Romeo und Julia“
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(Rezensionsexemplar)


Allgemeine Informationen

Bibliografische Informationen
Titel:
„MANHWA – Klassiker für Kids: Romeo und Julia“
Original: Shakespeare
Artwork: Kyung-Shin Lee
Übersetzung: Renate Seo
Verlag: Ullmann Medien
Format: Klappenbroschur
Umfang: ca. 190 Seiten
ISBN Print: 978-3-7415-2839-2
Altersempfehlung vom Verlag: ab 9 Jahren
Klappentext
Die Liebe der beiden jungen Veroneser Romeo Montague und Julia Capulet steht unter keinem guten Stern, denn ihre Familien sind seit Langem miteinander bis aufs Blut verfeindet.
Eine insgeheim von einem Mönch durchgeführte Trauung der beiden soll zur Versöhnung führen, doch als Julias hasserfüllter Cousin Tybalt durch Romeo zu Tode kommt, muss dieser die Stadt verlassen – und Julia einen anderen heiraten.
Durch die räumliche Trennung der beiden Liebenden nimmt das Verhängnis seinen Lauf.
(Quelle: Ullmann Medien)
Reihen-Konzept
Die Titel dieser Reihe zeigen Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur im angesagten Stil koreanischer Manhwas: Bekannte koreanische Künstler nehmen sich der beliebten Stoffe an und verwandeln sie in durchgehend vierfarbige Bildergeschichten.
Anne auf Green Gables, Romeo und Julia, Phileas Fogg und Mary Lennox werden so auf 192 durchgehend farbig illustrierten Seiten als Manhwa-Fassungen neu lebendig.
Die Reihe wurde konzipiert, um sowohl neue als auch ältere Leser für Klassiker zu begeistern.
(Quelle: Ullmann Medien)
Romeo & Julia
Wer kennt sie nicht, die vermutlich bekannteste tragische Liebesgeschichte der Jahrhunderte? Romeo und Julia – selbst die, die die Geschichte nicht gelesen oder in einer ihrer Adaptionen konsumiert haben, kennen zumindest die Namen und das tragische Ende der Liebenden.
Romeo Montague und Julia Capulet – zwei junge Menschen aus verfeindeten Familien, die sich auf einem Maskenball unsterblich verlieben und kurz danach beide auf tragische Weise den Tod finden. Ein Klassiker der Literatur und Namen, die fast jedes Allgemeinwissen zieren. Man verbindet ihren Schöpfer William Shakespeare mit unfassbarer Kreativität. Auch diesen Namen kennt fast jeder. Aber mal Hand aufs Herz: Wie viele haben denn tatsächlich etwas von ihm gelesen?
Keine Sorge, hier wird niemand verurteilt. Denn sind wir ehrlich: Die Sprache ist sowohl im englischen Original als auch der zeitgemäßen deutschen Übersetzung nicht unbedingt leicht zu verstehen, noch dazu ist das Werk als Drama geschrieben und liest sich als Theaterstück deutlich schwerer als ein Roman. Und doch hatten seine Werke etwas an sich, das Jahrhunderte überdauerte und seit Jahrhunderten die Leute fesseln können, jung und alt.
Aber wie können wir junge Menschen und die Kinder unserer Gesellschaft an Werke heranführen, die für Erwachsene schon nicht das Einfachste sind? Und hier haben wir einen Versuch des Ullmann Verlags, der mit der Reihe „Manhwa für Kids“ auch Shakespeares´ Geschichte von Romeo und Julia verlegt. Nicht nur als Comic in bunten Bildern adaptiert, sondern auch den Inhalt passend für jüngere Lesende aufbereitet.
Setting & Geschichte
Verona, Italien, im 14. Jahrhundert

Das malerische Städtchen Verona leidet seit Jahrzehnten unter den Rivalitäten und nicht endenden Streitereien der beiden mächtigsten Familien vor Ort – den Capulets und den Montagues. Mittlerweile weiß eigentlich keiner mehr, warum sie verfeindet bis aufs Blut sind, doch selbst die jüngsten Familienmitglieder werden mit dem Hass auf die andere Familie aufgezogen.
Die Geschichte begleitet die jungen Mitglieder der beiden Familien, allen voran Romeo Montague und Julia Capulet. Die beiden verlieben sich auf den ersten Blick ineinander, doch stellen erst im Nachhinein fest, dass ausgerechnet sie beide die Kinder der verfeindeten Familienoberhäupter sind. Aber davon lassen sich die frisch Verliebten nicht aufhalten, lassen sich im Heimlichen und nur im Beisein ihrer engsten Vertrauten vermählen. So weit so gut, würde man denken. Leider nimmt die Geschichte ab hier ihren tragischen Lauf in schnellem Tempo.
Ein Duell auf offener Straße eskaliert, bei dem Romeos bester Freund sein Leben lässt und mit seinen letzten Atemzügen beide Familien verflucht. Romeo nimmt in Trauer Rache, doch auch dieses Duell endet tödlich – mit dem Cousin von Julia. Die Familien fordern beidseitig mehr Blut, bis der Fürst der Region eingreift und ein Machtwort spricht. Romeo wird aus Verona verbannt, was nicht nur ihm sondern auch Julia das Herz bricht. Immerhin müssen sie nach nicht einmal 24 Stunden Ehe für immer getrennte Wege gehen.
Letztendlich endet das ganze Drama nicht nur mit dem Tod mehrerer junger Menschen, sondern auch aufgrund eines Missverständnisses mit dem Tod von Romeo und Julia. Aber eine wichtige Moral daraus zu schließen, mindert das tragische Ende: beide Familien sehen aufgrund der vielen Opfer endlich die unnötige Feindseligkeit ein und beenden diese in ihrem gemeinsamen Leid.
Charaktere
Positiv für den Einstieg ist die große Übersicht aller wichtigen Figuren, hier direkt passend zur jeweiligen Familienseite. Unsere Protagonisten sind deutlich hervorgehoben und jede Figur ist mit Namen und einer kurzen Erklärung versehen. Wer möchte, kann als direkt vor dem Einstieg in die Geschichte einen Überblick erhalten, wer zwischendrin durcheinanderkommt oder unsicher ist, kann demnach jederzeit nach vorne blättern.

Optische Aufmachung
Optisch ist der Manhwa ohne Frage ein Highlight. Der Zeichenstil ist klar und nicht überladen. Die Linien sind allesamt sauber, Charaktere ohne Probleme zu unterscheiden. Keine Sorge: Hintergründe sind vorhanden und passend zu den Szenen, aber nicht überladen und übermäßig detailliert, sodass es sehr angenehm beim Lesen und nicht anstrengend ist.
Ich finde es schön, dass die „wichtigen“ Schlüsselszenen der beiden stets auf einer ganzen Seite abgebildet werden, wodurch sowohl die Relevanz hervorgehoben wird, als auch die Atmosphäre noch einmal ganz besonders wirkt.


Die Farbgebung wird auch der Atmosphäre angepasst, was mir sehr gut gefällt. So erhalten die düsteren und dramatischen Szenen eine deutlich dunklere Färbung, gedämpfte Farben, was die ganze Stimmung definitiv unterstützt.



Auch die klassischen Elemente aus der Comic- und Mangawelt dürfen natürlich nicht fehlen. So haben wir Szenen, die lautmalerisch unterstützt werden, aber auch gezielte Darstellung subjektiver Wahrnehmungen. Während wir in einem Bild den offiziellen Auftritt Julias am Maskenball sehen, so wird auf der folgenden Seite Romeos träumerischer Blick mit magischer Färbung dargestellt.




Sprache



Sprachlich wurde die Adaption nicht nur modernisiert, sondern auch dem Alter angepasst. Begriffe, die von historischer Relevanz und nicht austauschbar sind, wie bspw. die Bezeichnung „Feudalfürst“, werden mit einer kurzen Notiz zwischen den Panels einfach erklärt. Es gab lediglich einen Begriff, nämlich den der Amme, der nicht erklärt wurde, den ich persönlich noch ausgeführt hätte, da vor allem Jüngere vermutlich nicht wissen, was damit gemeint ist.
Es gibt vor allem eine Szene, nämlich die des ersten Aufeinandertreffens der beiden, die mir sprachlich deutlich aufgefallen ist.
„Ist doch die Berührung zweier Hände so wie eines Pilgers* frommer Kuss.“
*Pilger: Person, die sich mit religiösen Zielen auf die Wanderung zu einem religiös bedeutsamen Ort begibt.
In Shakespeares Original nutzt er mitunter in diesen Szenen auch die Wortwahl des Pilgers, allerdings ergibt sich für mich nicht der Sinn hinter der Umsetzung. Der ganze Manhwa ist sprachlich in die Moderne adaptiert, hier jedoch nutzt man plötzlich eine ältere Wortwahl. Wäre es ein direktes Zitat gewesen, um Nähe zum Original zu schaffen, wäre es etwas anderes. So jedoch wirkt es etwas willkürlich, vor allem weil sich für jüngere Lesende meiner Meinung nach nicht unbedingt der Sinn des Gesagten erschließt, auch nicht mit der Definition eines Pilgers. Natürlich versteht man die Emotion hinter der Szene, aber sprachlich hätte das für mich nicht sein müssen.
Adaption für Kinder – Gelungen?
Die Reihe an sich richtet sich an Leser und Leserinnen ab 9 Jahren, also etwa ab der 3. bis 4. Klasse. Hierfür gibt es das Werk sogar auf Antolin. Optisch und sprachlich ist diese Version kindgerecht und würde Kinder definitiv ansprechen.
Bei anderen Werken der Reihe sehe ich auch keinerlei Probleme mit der Altersempfehlung. ABER: In diesem Alter ist die Geschichte von Romeo und Julia mit den Inhalten vieler Tode und Selbstmorde nicht geeignet, zumindest ohne Begleitung, die sich inhaltlich auch mit den Kindern darüber unterhalten und beim Verarbeiten helfen kann.
Der Manhwa bietet auch am Ende eigentlich sehr schön nochmals eine Doppelseite mit Informationen, einfach und kurz gefasst, wer Shakespeare war, was er gemacht hat und worum es in Romeo und Julia geht bzw. warum diese Geschichte auch heute noch so bekannt ist. Hier fehlt mir allerdings eines, damit es wirklich für Kinder geeignet wäre: Der (historische) Kontext.

Es fehlt der Bezug dazu, dass Julia noch mit 13 Jahren von ihrer Mutter verlobt wird, mit der Aussage, dass diese selbst in diesem Alter bereits Mutter war oder auch, warum Selbstmord als einzige Lösung für das Problem ihrer sehr schnellen Liebe gesehen wird. Im historischen Kontext ist die Geschichte bzgl. Alter, Liebe und Lebensentscheidungen deutlich anders gesehen als ohne Wissen über diese Zeit.
Auch ist man in der Grundschule entwicklungstechnisch definitiv nicht so weit, solche Handlungen und Entscheidungen zu hinterfragen. Meiner Meinung nach würde ich diesen Klassiker in dieser Adaption frühestens Kindern in einer weiterführenden Schule bzw. ab einem Alter von ca. 11-12 Jahren in die Hand geben.
Bei den anderen Geschichten sehe ich das „Problem“ keineswegs, nur bei dieser Geschichte würde ich eine andere Altersempfehlung setzen. Eventuell könnte man auch eine „weitere“ Alterskategorie mit in die Reihe einpflegen.
Fazit
Ich war hin und weg – optisch ist der Manhwa ein kleines Highlight und als Shakespeare-Fan war ich sowieso erfreut. Für ältere Lesende und Erwachsene würde ich diesen Manhwa – auch wenn es „für Kids“ heißt – absolut empfehlen. Bis auf ein paar kleine Anmerkungen, habe ich an der Umsetzung wenig auszusetzen.
Für die eigentlich angestrebte Zielgruppe kann ich den Manhwa leider nicht empfehlen. Ab 9 Jahren ist der thematische Umfang und das brutale Ausmaß der Geschichte zu viel, vor allem ohne Kontext und Begleitung auch entwicklungstechnisch nicht zu verarbeiten. Meine Empfehlung wäre also frühestens für interessierte junge Lesende ab 11-12 Jahren.
⭐⭐⭐⭐
(4/5 Sterne)

