Cover von Das Tagebuch der Jenna Blue

Tiefer Hass zwischen zwei Schwestern – Rezension zu Julia Adrians „Das Tagebuch der Jenna Blue“

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Ich war großer Fan von Julias „Die dunkle Fee“-Trilogie und auch der Sammelband rund um Winter steht bei mir im Regal. Da mir ihr Schreibstil bisher sehr gut gefallen hat, war ich auch gespannt auf „Das Tagebuch der Jenna Blue“, allerdings wusste ich nicht so recht, wie mir das Buch auch gefallen wird, da es inhaltlich in eine ganz andere Richtung geht als die anderen beiden Reihen.

Worum geht es?

Es geht um die 17-jährige Jenna und ihre kaum jüngere Schwester Scarlett, die sich bis aufs Blut hassen und unterschiedlicher nicht sein könnten. Jenna hasst Scarlett so sehr, dass sie nicht selten daran denkt, sie zu töten oder ihr den Tod zu wünschen. Es entwickelt sich ein bodenloser Kampf um Macht über die Abgründe zwischen ihnen und vor allem auch um Wahrheiten. Jenna sucht Wahrheiten, wie die, was genau damals tatsächlich geschah, als ihre Mutter spurlos verschwunden ist.

Meine Meinung zum Inhalt

Die Geschichte wechselt zwischen Jennas aktuellen Erlebnissen und ihren geschriebenen Tagebucheinträgen, in denen sie ihre tiefsten Gedanken und Gefühle niederschreibt. Sie schreibt von ihrer Einsamkeit, ihrem Frust, ihrer Machtlosigkeit und ihrem Hass. Den tiefen Hass auf ihre jüngere Schwester, die sie so sehr in den Schatten drängt, sie so sehr unterdrückt und ihr das Leben zur Hölle macht. Sie will herausfinden, was wirklich mit ihrer Mutter geschehen ist, warum sie sich selbst an vieles nicht oder nur anders erinnern kann und niemand aus ihrer Familie über diese Ereignisse reden will. Sie weiß nicht, wann sie wem noch trauen kann.

ICH HASSE DICH!

Ist es das, was du hören willst? Soll ich darüber schreiben, wie sehr ich euch verachte? Euch beneide? Euch anschreien möchte und es doch nicht tue? Du sagst, in mir seien Worte – du hast ja keine Ahnung!

In mir ist vor allem Leere.
Ich bin leer, Anna.
Ich bin so leer, dass es wehtut.

Jennas erster Tagebucheintrag
– Auszug aus dem ersten Kapitel von „Das Tagebuch der Jenna Blue“

Puh, das Buch hat ziemlichen Eindruck hinterlassen und war zwischendurch wirklich erdrückend, trotzdem habe ich es ziemlich schnell durchgelesen. Die Tagebucheinträge sind Wahnsinn – emotional, abgründig, dunkel, aber auch ehrlich. Jenna schreibt von ihrer dunkelsten Seite, lässt Gedanken zu, die mancher sich selbst nie eingestehen würde oder tief in sich vergräbt.

Die tatsächliche Handlung kommt erst mit Verzögerung ins Laufen, doch dann löst ein Ereignis das nächste ab und die Handlung rast nur so vorwärts. Die Spannung war durchgehend da, wenn auch meist unterschwellig. Scarlett macht einem mit ihrer Art wirklich Angst und ich wollte die ganze Zeit wissen, was zur Hölle in dieser Familie passiert ist. Die Auflösung war heftig und wirklich gut erzählt, die Beziehungen zwischen Jenna und ihrer Familie tragisch. Die „Liebesgeschichte“, wenn man sie so nennen will, kam an sich etwas unerwartet bzw. war nicht ganz so emotional, wie ich sie mir gewünscht hätte, allerdings steht diese hier auch nicht im Vordergrund. Für mich hätte die Geschichte auch ohne Liebesbeziehung einen guten Verlauf genommen, aber sie bringt Jenna in bestimmten Teilen etwas voran.

Auch wenn vor allem die Abgründe und die Geheimnisse im Vordergrund stehen, so geht es auch zum Teil darum, dass Jenna sich weiterentwickelt, die Vergangenheit aufarbeitet und erwachsen wird. So lange sie ihre eigene Vergangenheit nicht kennt, kennt sie sich selbst nicht gut genug, um endlich nach vorne zu blicken.

Für mich kam das Ende wahnsinnig plötzlich, vor allem das letzte Kapitel. Dass die Geschichte sich ihrem Ende entgegen neigt, war mir durchaus klar, aber die letzte Entwicklung war unerwartet. Ich hätte mir gerne noch einen Ausblick oder einen kurzen Epilog gewünscht, dann wäre ich vermutlich zufrieden gewesen damit.

Charaktere

Sehr schade fand ich, dass eigentlich kaum optische Charakterbeschreibungen vorhanden waren, wodurch ich mir ausgerechnet Jenna und ihre Schwestern eigentlich gar nicht vorstellen konnte. Psychisch und charakterlich ja, optisch leider nein. Beide Schwestern wurden intensiv beschrieben, auch die anderen Familienmitglieder – ihre große Stiefschwester Anna und ihr Vater – wurden deutlich charakterisiert.

Jenna knabbert an ihrer Ausgeschlossenheit, beneidet Scarlett um Annas Aufmerksamkeit und Nähe. Ihr Vater ist seit dem Verschwinden ihrer Mutter schwer depressiv und verlässt nicht einmal mehr sein Arbeitszimmer, geschweige denn reagiert er auf Jennas Näherungsversuche. Sie leben in einem wirklich heruntergekommenen Haus, Anna ist etwa Mitte Zwanzig und versucht ihr Bestes alles zusammenzuhalten. Sie kümmerte sich auch um Scarlett und Jenna, seit ihre Mutter weg war, obwohl diese zu dem Zeitpunkt selbst erst 14 Jahre alt war. Auch wenn Scarlett eigentlich Jennas jüngere Schwester ist, wirkt sie durch ihr forderndes Auftreten und ihr in Szene gesetztes Äußeres als die Ältere. Sie ist durch ihre überlegene Art eine der Beliebtesten und Begehrtesten – und Gefürchtetsten – der Schule, während Jenna wie durchsichtig oder ziemlich abwertend behandelt wird und deutliche Außenseiterin ist.

Mein Fazit

Wenn ich es genremäßig einsortieren müsste, würde ich es irgendwo zwischen Jugendthriller – so wird es auch vom Verlag bezeichnet – und Familiendrama eingliedern, allerdings trifft es weder das eine noch das andere zu hundert Prozent. Es enthält definitiv Spannung und ziemlich psychologischen Tiefgang, weshalb es für mich eher als tiefgründiges Jugendbuch zählt. Allerdings sollten Leser und Leserinnen durchaus aufpassen, falls sie psychologisch selbst Probleme haben oder sich von manchen Situationen und Charakteren nicht gut distanzieren können, da beide Schwestern bzw. die ganze Familie ziemliche Abgründe hat, die nach und nach erst aufkommen und die Grundstimmung eher eine erdrückende ist.

Ich denke darüber nach, meine Schwester zu töten. Ein gespanntes Nylonseil an der Treppe. Eine gelockerte Schindel. Es gibt so viele Arten, den Halt zu verlieren und gleichsam das Leben. 

Jenna und Scarlett sind Schwestern – und Feinde bis aufs Blut. Zwischen ihnen entbrennt ein Kampf um Macht und die Wahrheit. Was geschah wirklich, damals vor zehn Jahren, als ihre Mutter am helllichten Tag und ohne eine Spur verschwand? Jenna kämpft gegen das Vergessen und das Schweigen in ihrem eigenen Haus. Doch wenn sie sich selbst schon nicht trauen kann, wem dann? 

(Quelle: Drachenmond Verlag)

  • Titel: Das Tagebuch der Jenna Blue
  • Autorin: Julia Adrian
  • Verlag: Drachenmond Verlag
  • Einband: Klappenbroschur
  • Erscheinungsdatum: 18.08.2021
  • Seitenanzahl: 259
  • ISBN: 978-3-95991-305-8
  • Einzelband

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